Die Lage im Osten des Landes, besonders um Bengasi, ist kritisch für Ordensgemeinschaften, die von Islamisten Drohungen erhielten, aus dem Land „zu verschwinden“, berichtet Martinelli, der Apostolische Vikar der Hauptstadt Tripolis. Manche sind schon gegangen. Dabei war die Präsenz von Ordensleuten immer „ein wichtiger Bezugspunkt, um das Gespräch mit den libyschen Muslimen am Laufen zu halten“. Dem Bischofsvikar von Bengasi hat man empfohlen, während der für den 20. Februar geplanten Großdemonstration in der Cyrenaika Region sich zum Schutz in ein Krankenhaus einzuquartieren. Islamisten scheinen immer mehr Einfluss auszuüben.
Weil der zweite Versuch des designierten Ministerpräsidenten, eine Regierung zu bilden, gescheitert ist, hat das Parlament Mustafa Abu Shagur das Misstrauen ausgesprochen. In seinen Bemühungen, die Sicherheitsprobleme des Landes zu lösen, geriet der erst im September gewählte Akademiker Shagur unter den Druck von Abgeordneten und Bevölkerung und wurde abgesetzt.
Das libysche Parlament hat nach den schweren Ausschreitungen in den letzten Tagen erklärt, dass alle „illegitimen“ Milizen, die sich nicht dem Innenministerium unterordnen, aufgelöst würden. Die ersten gaben ihren Rückzug bekannt, ohne auf Übergabe ihrer Waffen einzugehen. Für den designierten Premier ist die Auflösung der Rebellengruppen, die beim Sturz von Gaddafi mithalfen, die größte Herausforderung zu Beginn seiner Amtszeit.
Beim Angriff auf das US- Konsulat in Bengasi gab es drei weitere Opfer, darunter der Botschafter selbst, der an einer Rauchvergiftung starb. Die Attacke am 11. Jahrestag des Terrorangriffs auf die USA könnte eine gezielte Aktion gewesen sein. Um die US-Militärpräsenz zu stärken, kreuzte schon ein Kriegsschiff vor der libyschen Küste auf; ein zweites ist unterwegs.
Ein in den USA produzierter Film, der angeblich den Propheten Mohammed beleidigt hat, löste in Libyen und Ägypten heftige Unruhen aus und brachte Tausende wütende Menschen auf die Straße. In Ägypten zerrissen sie die Fahne; in Bengasi zündeten sie die Botschaft an. Ein Mitarbeiter des US-Außenministeriums kam ums Leben.
Unter den Augen der Polizei rissen radikale Islamisten in Tripolis mit Bulldozern einen Sufi-Schrein nieder. Nach heftiger Kriitik von Parlamentariern trat der Innenminister zunächst zurück, um zwei Tage später seinen Posten wieder zu reklamieren. Seit Anfang der Revolution haben Salafisten dutzende Sufi-Schreine zerstört.
Sicherheitskräfte erbeuteten 100 Panzerfahrzeuge und 30 Granatwerfen bei einem Angriff auf ein Lager Gaddafitreuer Milizen, die für zwei Bombenanschläge in Tripolis verantwortlich gemacht werden. Immer noch befinden sich riesige Waffenbestände in den Händen verschiedener Gruppen. Der Prozess gegen Gaddafis Sohn, Saif al-Islam, soll im September in Zintan beginnen, obwohl der Internationale Gerichtshof seine Auslieferung gefordert hatte.
Während die Bevölkerung sich auf die Feierlichkeiten am Ende des Ramadan vorbereiteten, explodierten in der Hauptstadt zwei Autobomben. Sicherheitskräfte nahmen 32 Anhänger des ehemaligen Diktators Gaddafi fest.
Der im Vormonat gewählte Nationalkongress hat die Regierungsmacht vom Nationalen Übergangsrat übernommen und Oppositionsführer Mohammed al-Megarif, der als gemäßigter Islamist gilt, zum Übergangspräsidenten des Landes gewählt. Er soll die Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung vorbereiten. Bei den Wahlen im Juli gingen 120 Sitze an Einzelkandidaten, 80 an Parteien. Stärke Kraft ist die reformorientierte Fraktion von Mahmud Dschibril.
Anders als in Tunesien und Ägypten, haben sich in Libyen die liberalen Kräfte in der ersten demokratischen Parlamentswahl in 42 Jahren behauptet. Die „Allianz der Nationalen Kräfte“ des früheren Regierungschefs der Übergangsregierung, Mahmud Jibril, erhielt 39 von 80 Sitzen. Die Partei steht für einen moderaten Islam, freie Wirtschaft und Öffnung zum Westen. Wie das Kräfteverhältnis endgültig aussehen wird, ist noch nicht klar, denn die andern 120 von insgesamt 200 Parlamentssitzen gehen an unabhängige Kandidaten.