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Nach den blutigen Angriffen der „Nationalen Armee“ auf Stützpunkte islamistischer Milizen in der Hafenstadt Bengasi, stürmten Bewaffnete das Parlament in Tripolis. Die Angreifer, „abtrünnige Soldaten“, geben vor, alle Islamisten und Sympathisanten aus dem Land verjagen zu wollen. Libyen müht sich vergebens um Stabilität. Die geplante Verfassung ist immer noch nicht geschrieben, und seit März hat das Land drei Premiers gehabt. Saudi Arabien hat aus Sicherheitsgründen seine Botschaft geschlossen.
Nur vier km vom Land entfernt, etwa 50 km östlich von Tripolis sank ein provisorisches Boot. 36 Migranten kamen um, 52 wurden gerettet, doch werden noch 42 vermisst. Die Suche geht weiter.
Während die Abgeordneten einen neuen Ministerpräsidenten wählten, stürmten Bewaffnete ins Parlament. Die Wahl wurde unterbrochen; die Parlamentarier flohen durch den Hinterausgang. Die Angreifer sollen angeblich zu einer Gruppe gehört haben, die befürchtet, dass ihr Kandidat bei der Wahl unterliegen könnte. Der neue Premier wäre schon der dritte in diesem Jahr. Abspaltungsversuche und Überfälle durch Rebellen Gruppen sind seit dem Sturz Gaddafis an der Tagesordnung.
Weil Seidan es nicht geschafft hat, den mit von Rebellen verkauftem Rohöl beladenen nordkoreanischen Tanker aufzuhalten, hat er die Vertrauensabstimmung im Parlament verloren. Er wird vom Verteidigungsminister ersetzt. Das umstrittene Schiff gelangte an der Marine vorbei in internationale Gewässer. Ali Seidan hat trotz Reiseverbot Libyen verlassen und ist, nach einer Zwischenlandung in Malta, weitergeflogen. Die Rebellen im Osten halten mehrere Ölterminals besetzt, um ihrer Forderung nach Autonomie Nachdruck zu verleihen.
Sollte der unter nordkoreanischer Flagge fahrende Tanker versuchen, geladen vom Ölterminal Sidra auszulaufen, droht Ali Seidan, ihn zu versenken. Die Zentralregierung wehrt sich gegen die Separatisten, die seit Juli drei Häfen im Osten besetzt halten und versuchen, Öl zu exportieren. Öl ist die wichtigste Einnahmequelle Libyens; bis vor der Besetzung durch die Aufständischen, die eine Autonomie anstreben, hatte die Regierung täglich 600,000 Barrel exportiert.
Die Leichen von sieben ägyptischen Christen wurden am Strand nahe der libyschen Stadt Bengasi gefunden; sie wiesen Schusswunden auf. Ein Motiv für die Ermordung ist nicht bekannt, doch sind seit dem Sturz Gaddafis solche exekutionsartige Morde häufig, da das Land einen Überfluss an Waffen hat und viele unkontrollierbare Milizen Gruppen, die sie gebrauchen. Nachdem fünf ägyptische Diplomaten vor einem Monat entführt wurden, hat Kairo seine diplomatische Mission in Tripolis sowie in Bengasi evakuiert.
Der frühere General-Staatsanwalt Hasadi wurde in der östlichen Stadt Derna von Unbekannten erschossen. Seit dem Sturz Gaddafis hört die Welle von Attentaten auf hohe Armee – und Sicherheitskräfte sowie auf Richter nicht auf.
Zwölf spielende Kinder einer internationalen Schule in Bengasi wurden verletzt, als die Granate über die Schulhofmauer flog und explodierte. Im vergangenen Jahr gab es mehrere Bombenattacken und Attentate.
Der libysche Außenminister berichtet von der Zerstörung der letzten Chemiewaffen aus Gaddafis Arsenal – einschließlich 25 Tonnen Senfgas. Bis 2016 sollen auch alle die zur Herstellung von Chemiewaffen benötigten Produkte zerstört sein.
Nach den blutigen Straßenschlachten zwischen rivalisierenden Milizen, mit 40 Toten und Hunderten Verletzten den schlimmsten seit dem Sturz Gaddafis, hat die Regierung Armee Einheiten und Panzer nach Tripolis geschickt. Die Milizionäre aus Misrata und andere Rebellen-Gruppen wurden zurückgedrängt. Solange die schwer bewaffneten Milizen, die früher gegen Gaddafi kämpften und sich jetzt gegenseitig bekriegen, aktiv sind, kann es in Libyen keine Ruhe geben.
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