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In den schwersten Auseinandersetzungen seit dem Sturz von Präsident Mubarak starben über 20 Menschen; 200 wurden verletzt. Was als friedliche Demonstration gegen den Brandanschlag auf eine koptische Kirche anfing, wurde zur Straßenschlacht. Immer mehr Kopten verlassen das Land, getrieben von der gravierenden Diskriminierung und der Befürchtung, dass es bei den Wahlen im November eine islamistische Regierung geben könnte. Liberale Parteien und eine koptische Vertretung hätten kaum eine Chance. Diese letzte Gewalt ist ein schwerer Rückschlag für Ägyptens angestrebten Übergang zu einer Zivilregierung.
Der Dachverband ägyptischer Menschenrechtsverbände berichtet, dass seit März etwa 100,000 vor allem koptische Christen das Land verlassen haben. Wachsende interreligiöse Spannungen und Angriffe von islamistischen Salafiten seien der Grund für den Exodus. Als am vergangenen Freitag der Rohbau der koptischen Georgskirche im südägyptischen Edfu in Brand gesteckt wurde, griffen Sicherheitskräfte nicht ein und hinderten die Feuerwehr daran, den Brand zu löschen. Von den Medien wurde der Vorfall geleugnet oder runter gespielt.
Vor zwei Tagen wurde der 6. Anschlag seit dem Sturz Mubaraks auf die Sinai- Gasleitung verübt. Nach einem Beschuss explodierte eine ferngesteuerte Sprengladung an der Pipeline. Die Befürchtung wächst, dass die ägyptische Regierung die Kontrolle über den Sinai verliert. Militante Palästinenser, über Jahrzehnte unterdrückte Beduinen und Islamisten nutzen den geschwächten Sicherheitsapparat aus.
Nachdem sich die anti-israelische Stimmung bei dem Sturm auf die israelische Botschaft in Kairo entladen hat, bemühen sich beide Länder um eine Entschärfung des Konflikts. Auch die Muslimbrüder, die Israels „Arroganz und Aggression“ ankreiden, wollen kein Ende des Friedensabkommens von 1979. Es ist möglich, dass sich die Wut der Demonstranten mehr gegen das ägyptische Militärregime als gegen Israel richte, meinte der Menschenrechtsexperte von MISSIO.
Ex-Präsident Hosni Mubarak wurde zur Eröffnung des Verfahrens gegen ihn auf einem Krankenbett in den Gerichtssaal gebracht. Die Anklage lautet: Korruption und Erteilung eines Schießbefehls auf Demonstranten, worauf die Todesstrafe steht. Vor dem Gebäude in der Polizeiakademie bewarfen sich Anhänger und Gegner Mubaraks mit Steinen. 600 Ägypter können den Prozess im Gerichtssaal und Millionen auf dem Fernsehschirm verfolgen.  
Behandelnde Ärzte sagen, dass der gestürzte Präsident sehr depressiv sei und jegliche Nahrung verweigere. Kritiker sehen darin einen Trick, um der bevorstehenden Gerichtsverhandlung zu entgehen. Er soll sich nächste Woche für die Tötung von Demonstranten und Korruption verantworten. Eine Verzögerung des Prozesses könnte, nach Ansicht von Beobachtern, wieder Unruhen im Land aufflammen lassen.
Die ägyptische Führung, zusammen mit Saudi-Arabien, hat beschlossen, die seit 1988 geplante gigantische Brücke über den Golf von Aqaba zu bauen. Bei einer Länge von knapp 32 km und geschätzten Baukosten von fünf Milliarden Dollar soll es auf Straße und Schiene möglich sein, in 50 Minuten von Afrika nach Asien zu gelangen, und das ohne Israel durchqueren zu müssen – für Nordafrikas Araber ein Triumph. Nutzungsgebühren von Millionen Pilgern, von Touristen und Gastarbeitern sollten zur Kostendeckung beitragen. Umweltforscher sind jedoch besorgt über mögliche Schäden an den Korallenriffen.
Essam Sharaf hat ernstlich mit einer Kabinettsumbildung begonnen, da die Proteste über die langsamen politischen Reformen an Heftigkeit zunahmen. Der Außenminister ist bereits zurück getreten. Mindestens 15 weitere Minister sollen in der Säuberungsaktion von Mubarak Anhängern ihre Posten verlieren. Gerüchte, dass Mubarak selbst, der am 3. August vor Gericht erscheinen soll, einen Schlaganfall erlitten oder in ein Koma gefallen sein soll, wurden dementiert.
Nach dem letzten Freitagsgebet gab es Massenproteste in Kairo und Suez, bei denen Demonstranten die Übergangsregierung zur Einlösung ihrer Versprechen drängten. Sie wollten ein Ende der militärischen Prozesse und Strafverfolgung für Polizisten, die mit ihren Pferd- und Kamelritten für den Tod von hunderten Menschen verantwortlich waren. Auch sollte es transparente Verfahren gegen Amtsinhaber im alten Regime geben. Die angekündigte Entlassung verdächtiger Polizisten ist ein Teilerfolg.
Saboteure haben die Gas Pipeline von der Sinai-Halbinsel nach Israel und Jordanien gesprengt und so die Lieferung gestoppt. Es war schon der dritte Anschlag seit dem Sturz von Mubarak im Februar. Die Versorgung Israels mit Erdgas, um damit Strom zu erzeugen, ist in Ägypten schon länger umstritten.

Zitat

„Wir müssen die Zeit nutzen,
um auf einen radikalen Wandel hinzuarbeiten...

Wir haben in diesen Wochen gelernt,
dass wir auf einem kranken Planeten nicht gesund leben können."

Erklärung des Jesuitenordens in Europa

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